Freitag, 17. Februar 2012

Artikelserie „Fakten im Gesundheitswesen“ Teil 2

Akzeptieren Sie drei Fakten im Gesundheitswesen. Leben Sie mit der Realität und richten Sie Ihr Handeln danach aus:

Erstens:
Die medizinische Versorgung ist rationiert und der Umgang mit knappen Mitteln längst Realität für Patienten, wie Heilberufe.

Zweitens:
Die Finanzierung im Gesundheitswesen ist bereits dual und für eine umfassende Gesundheitsleistung sind die Bürgerinnen und Bürger bereit über die gesetzliche Versicherung hinaus Eigenleistungen zu erbringen.

Drittens:
Von der Politik ist keine Unterstützung zu erwarten und Sie sollten Ihre unternehmerische Strategie unabhängig davon machen.


In einer Artikelserie führen wir diese drei Fakten aus und geben im letzten Teil der Artikelserie Empfehlungen für das unternehmerische Handeln verschiedener Akteure im Gesundheitswesen ab.


Bilden Sie sich Ihre Meinung und diskutieren Sie mit!


Heute lesen Sie:

2. Die Finanzierung im Gesundheitswesen ist bereits dual
Da viele Vorsorgeleistungen derzeit privat bezahlt werden müssen und Zuzahlungen zu leisten sind, besteht faktisch im Gesundheitswesen schon eine duale Finanzierung. Und Studien zeigen, dass es zu einer stärkeren finanziellen, einseitigen Belastung der Arbeitnehmer kommen wird.

Duale Finanzierung
Wie definieren wir duale Finanzierung: In der Rentenversicherung ist der staatliche Beitrag nur noch als Grundsicherung zu betrachten. Mit staatlich geförderten aber privat und kapitalgedeckten Rentenversicherungen soll die bestehende Lücke abgedeckt werden. Für die Pflegeversicherung wird vielfach Ähnliches gefordert aber die Politik stellt sich nur sehr zögerlich der auch dort veränderten Realität1.

Beitragsentwicklung
Im Gesundheitswesen ist die Kostensteigerung einseitig auf die Arbeitnehmer abgewälzt – und das von einem liberalen Gesundheitsminister! Der Beitrag der Arbeitgeber ist seit 2010 auf 7,3% gesetzlich festgeschrieben.

2008 betrugen die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung 160 Milliarden Euro. Diese Ausgaben wurden durch die Beiträge von rund 51 Millionen Mitgliedern finanziert. Doch in etwa 50 Jahren wird es voraussichtlich nur noch rund 40 Millionen Mitglieder geben. Gleichzeitig steigen jedoch die erwarteten Ausgaben auf etwa 468 Milliarden Euro. Diese Umstrukturierung führt fast unweigerlich zu einer Erhöhung der Beitragssätze2.

Prognosen gehen davon aus, dass der Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung bis auf 50% steigen könnte – davon dann 42,7% von den Arbeitnehmern zu schultern3. Die Beitragsbemessungsgrenze steigt ja ohnehin fast unmerklich von Jahr zu Jahr und lässt mehr Mittel von den Einkommensstarken ins System fließen. Es ist jedoch klar, dass die Politik die einseitige Einschnürung der Kaufkraft nicht dauerhaft zulassen kann. Also könnten Steuermittel in das Gesundheitswesen fließen – seit Einführung des Gesundheitsfonds sind hierfür Tür und Tor geöffnet. Aber auch dies kann nur in begrenztem Umfang erfolgen – der Abbau des Staatsdefizits mit dem einhergehenden Sparzwang lassen nicht viel Spielraum. Was ist der Umkehrschluss? Die gesetzlich gedeckten medizinischen Versorgungsleistungen müssen eingeschränkt werden. Heute sind dafür keine Mehrheiten zu gewinnen aber der Druck wird zunehmen.
Der demografische Wandel führt dazu, dass immer mehr ältere Menschen versorgt werden müssen und dies durch immer weniger junge Menschen finanziert werden muss. Zudem kommt es immer häufiger zu Multimorbidität, die mit einem höheren Versorgungsbedarf und höheren Kosten einhergeht.
Die gesetzliche Krankenversicherung wird diese Ausgaben nicht alleine tragen können und so sind Leistungseinschränkungen unvermeidbar. Die Frage ist weniger ob, sondern vielmehr wie solch ein Vorgehen aussehen könnte4.

Private Absicherung
Langfristig wird auch die gesetzliche Krankenversicherung lediglich zu einer Absicherung der Grundrisiken übergehen – alle zusätzlichen Risiken können dann privat abgedeckt werden. Vermutlich mit staatlicher Förderung wie bereits heute bei der privaten Rentenversicherung.
Doch bereits heute schon gibt es eine faktisch duale Finanzierung. Die Prävention ist fast vollständig aus privaten Mitteln zu finanzieren. Doch ein Präventionsgesetz ist unpopulär und wird daher meistens nur von den Parteien gefordert, die sich in der Opposition befinden und wissen, dass es nicht zu einer Umsetzung kommen wird5. Des Weiteren ist der gesetzliche Leistungskatalog ja schon im vergangenen Jahrzehnt verschiedentlich ausgedünnt worden: Brillen und Zahnersatz sind heute schon beliebte Produkte der privaten Zusatzversicherung.
Die Zusatzversicherungen haben in den vergangenen Jahren, insbesondere seit 2004 enorm an Zulauf gewonnen. Es existieren in 2010 etwa 22 Millionen Verträge zur privaten Krankenzusatzversicherung und in den Jahren von 2004 bis 2010 sind allein 6 Millionen Verträge abgeschlossen worden. Davon entfielen zwar auf die Auslandsreisekrankenversicherung 45% aber es bleiben immer noch 12 Millionen Verträge für Zusatzleistungen in der privaten Krankenversicherung6.
Eine Befragung der Continentale Krankenversicherung hat ergeben, dass der Anteil derer, die eine alleinige Versorgung durch die GKV in der Zukunft nicht mehr gewährleistet sieht, 53% beträgt. Und bereits 45% der Befragten sind der Meinung, dass gute Leistungen im Gesundheitswesen viel Geld über die GKV-Beiträge hinaus kosten. Das verwundert nicht, denn bereits 39% der GKV-Versicherten gaben an, dass sie Leistungseinschränkungen hinnehmen müssen. Ein etwa genauso hoher Prozentsatz (32%) würde sogar in die PKV wechseln, wenn es möglich wäre7.
Bei einer Begrenzung des gesetzlichen Leistungskatalogs würde also die private Krankenzusatzversicherung einen enormen Aufschwung bekommen.
Die private Krankenversicherung befürchtet schon heute, dass mit Einführung der Bürgerversicherung die private Krankenvollversicherung ausgedient hat und stellt sich darauf ein, in dem der Eigenvertrieb der Central Krankenversicherung, Nummer 5 der privaten Krankenversicherer in Deutschland, komplett eingestellt wird 8. Eine denkwürdige Entscheidung – warum ist dies nicht auch in der Lebensversicherung passiert, nachdem die staatliche Begünstigung der Steuerfreiheit der Erträge weggefallen ist?
Die Bürgerversicherung, die bei einer sozialdemokratisch geführten Regierung wohl zweifelsohne eingeführt würde, bezieht alle Einkommensarten in eine Art Versicherungsgrundpauschale mit ein9. Vor allem jedoch würden auch Beamte und Selbständige einen Pflichtbeitrag leisten müssen – unabhängig von privaten Versicherungsbeiträgen (in die Krankenvollversicherung). Die Central befürchtet wohl, dass dann die Verträge reihenweise gekündigt würden und bereitet sich jetzt schon darauf vor.

Lesen Sie im nächsten Artikel (Teil 3):
Von der Politik ist keine Unterstützung zu erwarten und Sie sollten Ihre unternehmerische Strategie unabhängig davon machen.


1 "Aktuelle Diskussion zur Gesetzlichen Pflegeversicherung"
2 Pressemitteilung zur Pressekonferenz des IGSF am 07. September 2011 in Berlin
3 "Prognose des Beitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung", Dr. Frank Niehaus, September 2008
4 Pressemitteilung zur Pressekonferenz des IGSF am 07. September 2011 in Berlin
5 "Opposition für Präventionsgesetz", Juliane Ziegler, Kirsten Sucker-Sket, Dezember 2011
6 Neues statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2011
7 "Continentale-Studie 2010: Die Hälfte der jungen Deutschen will in die PKV", Die Continentale, September 2010
8 "Central fürchtet Bürgerversicherung", August 2011
9 "Nach Wahlsieg: Bürgerversicherung!", Anno Fricke, Dezember 2011 und "Gesundheit im Gewand der Gerechtigkeit", Helmut Laschet, Dezember 2011

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